Propaganda Teil 6: Methoden der Propagandakampagnen
… diesen beiden Gruppen wird oft viel Vertrauen entgegengebracht und ihren scheinbar unabhängigen «Expertenmeinungen» folgen sehr viele Menschen …
Grundmuster
Alle Methoden, die hier erwähnt werden, lassen sich aus der Symbolik oder den Schlüsselpersonen herleiten. Welche Methoden schliesslich verwendet werden und wie breit gestreut die Kampagne wird, hängt von den konkreten Umständen ab. Bevor der einzelne Propagandist Bernays Methoden anwendet, muss er wissen, welches Grundmuster er anwenden will. Bernays nennt die Grundmuster: «Kontinuierliche Information» und «Dramatisierung durch Hervorhebung» (Bernays, 1928/2007, S. 66).
Kontinuierliche Information
Ziel der kontinuierlichen Information ist es, die Kontaktaufnahme zum Publikum so zu steuern, dass die Öffentlichkeit den gewünschten Eindruck gewinnt, ohne sich der Beeinflussung bewusst zu werden. Beispiel:
Wie die Öffentlichkeit auf die Vorzüge eines Produktes aufmerksam gemacht werden kann, zeigte sich am Fall der Gelatine. Das «Mellon Institute of Industrial Research» hat die positiven Auswirkungen von Gelatine auf die Verdaulichkeit und den Nährwerten von Milch nachgewiesen. Man schlug vor, die Verbreitung dieser Erkenntnis voranzutreiben, indem die Wirkung von Gelatine auch in verschiedenen Krankenhäuser und Schulen untersucht wurde. Die positiven Ergebnisse dieser Tests wurden wiederum an andere Meinungsführer [auch Schlüsselperson genannt] weitergegeben – mit dem Ergebnis, dass Gelatine immer häufiger eingesetzt wurde. (Bernays, 1928/2007, S. 67)
Dramatisierung durch Hervorhebung
Die Dramatisierung hingegen weckt die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und lenkt sie auf ein bestimmtes Detail oder einen bestimmten Aspekt, der typisch für die propagierte Sache ist (Bernays, 1928/2007, S. 66). Beispiel:
Wenn eine Immobiliengesellschaft ein grosses Bürogebäude errichtet und es drei Meter grösser baut als den bisherigen grössten Wolkenkratzer, dann ist das «Dramatisierung»

Abbildung: Symbolbild Dramatisierung durch Hervorhebung, Vergleich Wolkenkratzer, New York
Es ist durchaus möglich, beide Methoden parallel anzuwenden. Ob dies sinnvoll ist, wird mit den Analysen von Schritt 1 und 2 klarer (siehe Teil 4), denn dann sind die Zielvorgaben und die individuellen Rahmenbedingungen vorgegeben (Bernays, 1928/2007, S. 66).
Methoden mit Schlüsselpersonen
Schlüsselpersonen sind die meinungsbildenden Personen, welche eine oder mehrere Gruppen unter sich haben. Ihnen vertraut die Gruppe und der von ihnen repräsentierte Gedanke wird anschliessend über verschiedene Kommunikationskanäle auf das breite Publikum projiziert (Bernays, 1928/2007, S. 55). Die Methoden der Schlüsselpersonen lassen sich in die drei Gruppen aufteilen:
- Einzelpersonen
- Expertenkomitee
- Büro/Organisation
Einzelpersonen
«Zu den wichtigsten und meist eingesetzten Einzelpersonen gehören die Ärzte und Wissenschaftler»
Einzelpersonen können eingesetzt werden, um eine Botschaft an die ihnen unterstellte Gruppe zu senden. Zu den wichtigsten und meist eingesetzten Einzelpersonen gehören die Ärzte und Wissenschaftler (Bernays, 1928/2007, S. 53).
Diesen beiden Gruppen wird oft viel Vertrauen entgegengebracht und ihren scheinbar unabhängigen «Expertenmeinungen» folgen sehr viele Menschen. Bernays benutzte oft die Aussagen von Ärzten und Wissenschaftlern, um das propagierte Produkt als gesund zu bewerben, auch wenn dies teilweise nicht der Wahrheit entsprach (Bernays, 1928/2007, S. 53).

Abbildung: Camel Kampagne und «Expertenmeinungen», Werbung 1948
Expertenkomitee
Um den Effekt der Schlüsselpersonen noch zu verstärken, setzte Bernays verstärkt das Expertenkomitee als Propagandainstrument ein (Bernays, 1928/2007, S. 149 f.). Ein solches besteht aus gleichen oder verschiedenartigen Meinungsführern, welche zusammen Erklärungen abgeben. Durch die Grösse dieser «Expertenrunde» und der individuellen Integrität der einzelnen Mitglieder ist die Botschaft letztlich noch glaubwürdiger.
Büro/Organisation
«[Organisation/Büro] die gegen aussen oft unabhängig wirkt, aber in Wirklichkeit unter Kontrolle des Propagandisten steht»
Ähnlich dem Expertenkomitee ist die Strategie ein Büro respektive eine Organisation zu gründen, die gegen aussen oft unabhängig wirkt, aber in Wirklichkeit unter Kontrolle des Propagandisten steht. Es reicht, wenn die Mitglieder den Anschein von Kompetenz erwecken, denn entgegen dem Expertenkomitee steht die Organisation als Ganzes im Mittelpunkt und nicht die einzelnen Mitglieder.
Die Büros oder Organisationen verbreiten die gewünschten Informationen und dienen Medien und Interessierten als Anlaufpunkt. Bernays richtete in seinen Kampagnen diverse Büros ein. Zum Beispiel das «Büro zum Schutze des Fusses» (Bernays, 1928/2007, S. 69), das «Color Fashion Bureau» (Tye, 1998, S. 40) oder das «Middle America Information Bureau» (Tye, 1998, S. 162). Beispiel:
Die Zuverlässigkeit einer durchdachten PR-Strategie zeigte sich auch im Fall eines Herstellers von Spezialschuhen für Polizisten, Feuerwehrleute, Briefträger und ähnliche Berufsgruppen. Wenn er mit Erfolg propagieren konnte, dass diese Menschen für ihre Tätigkeit mit dem richtigen Schuhwerk ausgestattet sein sollten, dann würde er nicht nur mehr Schuhe verkaufen, sondern auch zur effizienteren Arbeit dieser Berufsgruppen beitragen. Er richtete ein «Büro zum Schutze des Fusses» ein.Dieses Büro verbreitete wissenschaftlich fundierte Informationen zur richtigen Fusspflege, Richtlinien nämlich, die der Hersteller bei der Konstruktion seiner Schuhe schon berücksichtigt hatte.Daraufhin setzten sich Rathäuser, Polizeichefs, Feuerwehren und andere, für das Wohlbefinden der genannten Arbeitnehmer von Bedeutung ist, für das Produkt und die dahinterstehende Idee ein. Der Umsatz des Unternehmens stieg deutlich. (Bernays, 1928/2007, S. 69)
Diese verschiedenen Methoden im Zusammenhang mit Schlüsselpersonen kommen teilweise einzeln oder gemeinsam in einem Grossteil der Kampagnen von Bernays vor. Methoden, welche die Symbolik als Grundlage haben, sind das zweite wichtige Instrument.
Methoden der Symbolik
«Ein Wunsch oder eine Sehnsucht, manifestiert sich in den Köpfen der Menschen als Klischees, Schlagworte oder Bilder»

Abbildung: Beispiel Symbolik und das Küssen von Babys
Wie bereits erwähnt, repräsentiert das Symbol, gemäss Bernays, einen Wunsch oder eine Sehnsucht (Bernays, 1928/2007, S. 52), welche sich in den Köpfen der Menschen als Klischees, Schlagworte oder Bilder manifestieren (Bernays, 1928/2007, S. 51). Diese drei Elemente sind jedoch nur dann wirkungsvoll, wenn sie die richtigen Emotionen auslösen. Bernays schreibt dazu:
«Ausserhalb des Zusammenhangs hervorgerufene Emotionen geraten leicht rührselig, sentimental und teuer. Wenn die Idee kein fester Bestandteil des grossen Ganzen ist, verpufft ihre Wirkung.» (Bernays, 1928/2007, S. 88)
Folglich müssen auch die Emotionen, die man bei den Massen wecken will, im Gesamtplan einer Kampagne berücksichtigt werden. Grossunternehmen haben erkannt, dass sie sich möglichst viele der grundlegenden menschlichen Empfindungen zunutze machen müssen. Es ist nicht zu empfehlen nur mit Worten die Gefühle der Massen zu steuern.
Gefühls-Cluster
Richtig angewendet kann ein hervorgebrachtes Klischee, Schlagwort oder Bild bei der Masse zuweilen ganze Gefühls-Cluster auslösen (Bernays, 1928/2007, S. 51 f.).

Abbildung: Symbolbild Gefühls-Cluster
Indem sich Bernays mit der Osterparade eines grossen Events als Bühne bediente und einen Skandal als Anstoss benutzte, löste er mit dem Marsch einen Gefühls-Cluster aus. Die «Fackel der Freiheit» wird mitunter mit der Freiheitsstatue in Verbindung gebracht, die wiederum zu den Gedanken Unabhängigkeit, Emanzipation, Frauen und Zigaretten führen kann. Zudem werden Gefühle und Klischees zu den jeweiligen Schlagworten abgerufen, welche einen neuen Gefühls-Cluster auslösen können.

Abbildung: Das Feldspital (WW1) wurde in Evakuierungsposten umbenannt; die Kritik verstummte
Ein weiteres Beispiel: Im Ersten Weltkrieg waren die Armeekrankenhäuser in Grossbritannien in Verruf geraten, weil sie ihre Patienten nur oberflächlich und schnell behandelten. Die Öffentlichkeit erwartete von einem Krankenhaus, dass es seinen Patienten ausgiebig Zeit und Aufmerksamkeit widmet. Sobald der Name der Krankenhäuser in «Evakuierungsposten» umgeändert wurde, verstummte die öffentliche Kritik, weil von der Institution dieses Namens niemand mehr als eine adäquate Notfallbehandlung forderte.
Die Öffentlichkeit konnte nicht überzeugt werden, dass es unterschiedliche Arten von Krankenhäuser gab. Stattdessen wurde ein neues Klischeebild geschaffen und die Öffentlichkeit auf diese neue Art von Einrichtungen konditioniert.
«Auch eine Person kann ein Symbol sein»
Symbole und Emotionen sind auch wichtige Bestandteile von Kampagnen, in denen es um Personen geht. Auch eine Person kann ein Symbol sein, da auch sie mit einer Sehnsucht oder einem Wunsch in Verbindung gebracht werden kann (Bernays, 1928/2007, S. 131). Insbesondere in politischen Kampagnen wird dies oft genutzt. Je nach Image, welches für den Kandidaten aufgebaut werden soll, werden für die Presse Bilder des Kandidaten mit passenden Meinungsführern gemacht.
Letzteres tat der ehemalige US-Präsident Coolidge als Teil seiner Kampagne (Tye, 1998, S. 79 f.). Dem Rat Bernays entsprechend lud er bekannte Persönlichkeiten zum Frühstück ins Weisse Haus ein und liess sich dabei von der Presse begleiten. Coolidge, der bis anhin als eintönig galt, konnte dank dieser Kampagne sein Image verbessern.
Nächster Teil der Serie
Soviel zu den relevanten Grundmustern und Methoden. Im nächsten Schritt werden diese in einem Modell dargestellt.
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Quellen
- Bernays, E.L. (2007). Propaganda – Die Kunst der Public Relation. (P. Schnur, Übers.). Freiburg: Orange Press. (Original veröffentlicht 1928)
- Tye, L. (1998). The Father of Spin: Edward L. Bernays and the Birth of Public Relations. New York: Holt Paperbacks.